"Montevideo", Public Space Art Project (contest), Munich
Wettbewerbsentwurf Kunst am Bau für den Umbau und Instandsetzung eines Verwaltungsgebäudes in der Herzog-Wilhelm-Strasse 15, 80331 München, 2002
„Montevideo“
Durch ein Panoramafenster fällt das warme Sonnenlicht eines Sommertages in einen Raum.
Ein heller Stoffvorhang verhüllt das Fenster und filtert das Licht. Der Fensterrahmen zeichnet sich darauf ab, durch einen Spalt zwischen Boden und Vorhang dringt Licht. Ein leichter Windhauch bläht den Vorhang immer wieder auf. Dieser Vorhang ist nicht beiseite zu schieben und gibt das Geheimnis des Fensters nicht preis.
So bleibt unerklärlich, welchen Ausblick es ermöglicht. Seltsam deshalb, weil es an einer Wand installiert ist, die im Inneren des Gebäudes liegt. Unwahrscheinlich eigentlich, dass sich auf der anderen Seite keine Büros befinden - oder doch?
"Montevideo" simuliert eine Fensterfront, die sich jedoch schnell als Fake herausstellt. Es ist eine Art grosser Kiste in die ein grosses Fenster eingelassen ist, das von innen beleuchtet wird. Leicht abgerückt von der Wand und knapp unterhalb der Decke endend, handelt es sich offensichtliche um eine Kulisse, einem grosses Einrichtungsobjekt ähnlich.
Konzept
Die Schlager der 50er bis 70er Jahre gaben dem Fernweh der Deutschen Ausdruck, die von fernen Orten handelten , an denen die Sonne versank (oder nie versank) und ein Mädchen sich nach einem Mann in Sehnsucht verzehrte. Immer wieder tauchte in den Schlagertexten die Hauptsadt Urugays, Montevideo auf: "Onkel Theo aus Montevideo" oder "Montevideo, Montevideo". Die Stadt wurde zum Sehnsuchtort Südamerikas schlechthin ("Das Haus in Montevideo", Spielfilm mit Curt Jürgens). Selbst wenn wir dies heute belächeln, wer wünscht sich nicht von Zeit zu Zeit an einen fernen Strand, in eine aufregende exotische Stadt oder möchte eine Abenteuereise auf einen anderen Kontinent unternehmen.
Die Installation"„Montevideo“ nimmt diese Sehnsüchte auf. Sie macht die Psychologie der Orte, der Räume und Architekturen zum Thema und zielt sowohl auf den einzelnen Betrachter (Mitarbeiter, Besucher), als auch auf die kollektiven Strukturen der Bürogemeinschaft.
„Wie richten wir uns ein":
Ein Gebäude wird neu bezogen. Zuerst treffen die Möbel, Computer, Stuhle, Schreibtische, Pflanzen, etc. ein. Die Angestellten ergänzen die funktionsorientierte Einrichtung durch persönliche Gegenstände. Im Laufe der Zeit erhalten die Räume durch ihre Benutzung, durch die Anordnungen von Büromöblierung und privaten Objekten, durch Ihren Gebrauch, einen eigenen Charakter: sie reflektieren soziale Konstellationen und individuelle Eigenheiten.
Ein Veranstaltungsraum verlangt in dieser Hinsicht besondere Aufmerksamkeit. Da oft nur temporär genutzt, verbleibt er zumeist in einen seltsamen Zwischen/Durchgangsstadium. Häufig leer und etwas ungemütlich, einige Stühle und Tische stehen herum, verbleibt er zwischen gerade verlassen und bald wieder - für kurze Zeit - belebt. Im Falle dieses Sonderraumes wird dies besonders augenfällig durch die beiden in Längsrichtung gegenüberliegenden Türen: so wird der der Raum zum Durchgang.
- Die Installation betont die besondere Rolle des Raumes, seine soziale Funktion und seinen eigentümlichen Charakter.
Sie richtet ihn ein und macht Ihn zur Bühne:
zur Bühne der eigenen Vorstellungskraft, die vielleicht eine romantische Sehnsuchtweckt oder als Geheimnis wirkt, das die Frage nach der Quelle des Lichts, dem Raum oder der Szenerie dahinter stellt.
Damit soll ein Ort besonderer Prägung und Verbundenheit erschaffen werden, ein belebter Raum individuellen Charakters und gemeinschaftlichen Erlebens.
Als Bühnenhintergrund des alltäglichen Handelns, führt sie diesen Ort, dieses Gebäude, als sozialen, lebendigen Körper auf. So wird der Raum zum Bühnenraum, zum Zuschauerraum und zum Wohnraum und schafft damit auch einen funktionalen Rahmen für die Veranstaltungen und das Zusammentreffen, wird integrativer Teil des Ortes.
Zugleich bezieht sich die Installation damit auch auf die mit dem Umbau vollzogene Modifizierung der brutalistisch beeinflussten Architektur.
Durch einen Lichthof, der in das Gebäude vom 2. bis zum 6. OG eingefügt wurde und die Aufhellung der Fassade öffnet sich nun die Architektur stärker zum Stadtraum und ermöglicht dem Tageslicht in das Innere des Gebäudes zu gelagen.
- Die Installation greift diese architektonische Geste der Durchbruchs, der Öffnung auf, schafft aber darüberhinaus eine zweite Realitätsebene, da sich der Lichteinfall unahhängig von Tageszeiten und Wetterbedingungen verhält. Durch die "zweifache" Fensterfront wird der Raum scheinbar durchlässig, simuliert eine offene architektonische Struktur.
Die nun hellere Fassade hebt das Gebäude hervor und betont damit die besondere Ecksituation und städtebauliche Bedeutung des Grundstücks an der ehemaligen Stadtmauer.
- Die Installation bewirkt ebenfalls eine Hervorhebung: da der Raum durch die Schaufenster von aussen einsehbar ist, wird man besonders abends und nachts schon von Weitem auf das Gebäude aufmerksam. Es entsteht der Eindruck, als würde das Gebäude aus seinem Inneren heraus leuchten.